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Warum der Titel so schwer erreichbar ist:

Deutschlands grünste Grossstädte

Dass die Natur Auswirkungen auf die menschliche Psyche hat, ist Wissenschaftlern seit vielen Jahren bewusst. Vor allem in Großstädten kommen den Grünflächen eine wichtige Bedeutung zu, denn sie haben positive Effekte in sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Wie grün die deutschen Städte sind, wurde in verschiedenen Studien erforscht. Doch solche Grünanlagen sind im Extremlebensraum Stadt unterschiedlichen Schwierigkeiten und Problemen ausgesetzt.

Siegerstadt liegt in Brandenburg

Es gibt verschiedene Methoden, die in den vergangenen Jahren als Grundlage zur Ermittlung von Deutschlands grünster Großstadt dienten. Das Vermittlungsportal für Ferienhäuser Holidu kam im Jahr 2019 zu einem Ranking, das 50 Städte mit mehr als 155.000 Einwohnern auflistet. In dieser Erhebung wurden städtische Parkflächen auf Luftbildern von Open Street Maps ausgewertet. Wälder, Grünstreifen und geschützte Lebensräume sowie Biotope flossen nicht in die Betrachtung ein. Potsdam geht aber auch laut Statista mit rund 33 Quadratmeter Grünfläche pro Einwohner als Titelsieger aus der Studie heraus. Kassel und Bremen nehmen den zweiten und dritten Platz ein.

Eine ähnliche aber detailliertere Methodik nutzt der Husqvarna Urban Green Space Index (kurz: HUGSI). Mit Zuhilfenahme einer Künstlichen Intelligenz wurden Satellitenbilder von 155 Städten weltweit ausgewertet. Die Ergebnisse geben Auskunft über den prozentualen Anteil an Grünflächen sowie deren Zusammensetzung und Gesundheit. Dortmund nimmt den vierten Platz der grünsten Städte auf internationalem Niveau ein. In Europa belegt die Stadt mit einer Gesamtgrünfläche von 57 Prozent die dritte Stufe auf dem Siegertreppchen. Zum Vergleich: Berlin steht europaweit auf dem 46. Platz und weist einen Grünflächenanteil von 49 Prozent auf. Pro Kopf hat die Landeshauptstadt eine Grünfläche von 111,5 Quadratmeter zu bieten.

 

Wie gesund sind Berlins Bäume?

Das Stadtgebiet der flächenmäßig größten deutschen Stadt umfasst ein Waldgebiet von 29.000 Hektar. Das entspricht etwa 18 Prozent. Eichen, Linden und Ahorn machen einen Großteil davon aus. Ebenfalls weit verbreitet sind Platanen und Kastanien. Seit 2018 geht die Anzahl der Bäume stetig zurück, denn die sommerlichen Rekordtemperaturen haben in Kombination mit ausbleibenden Niederschlägen zu Wachstumseinbußen geführt. Viele Laubbäume fielen der langanhaltenden Trockenheit zum Opfer.

 

Der Wuchsort beeinflusst die Gesundheit der Stadtbäume

Die Standortbedingungen sind ausschlaggebend für die Baumgesundheit. Die Stadt gehört zu den Lebensräumen mit extremen Bedingungen. Am optimalen Standort gedeiht der Baum ohne den Eingriff des Menschen. Im Stadtgebiet müssen die Bäume im Vergleich zum ländlichen Umfeld mit höheren Temperaturen und geringeren Niederschlagsmengen zurechtkommen. Sie sind auf zusätzliche Bewässerung angewiesen. Manuelle Beschädigungen, Streusalz im Winter und ganzjährige Abgase sorgen zusätzlich für Beeinträchtigungen der Pflanzengesundheit.

Das Wurzelwerk dient dazu, Wasser und Nährstoffe aus der Erde aufzunehmen und den Baum zu verankern. Charakteristisch für Berlins Boden ist der märkische Sand. Dieser Quarzsand entstand durch Bewegungen eines Gletschers, der Gesteinsbrocken von Skandinavien mitbrachte und zu feinen Sandkörnern zermahlte. Das Material hat eine lockere Struktur, trocknet aufgrund des guten Wasserabflusses schnell aus und ist kaum in der Lage, Nährstoffe zu speichern. Vor der Bepflanzung sind Maßnahmen zur Bodenverbesserung unerlässlich, damit die Baumwurzeln ein stabiles Bodengefüge und ein nährstoffreiches Milieu vorfinden.

 

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Grüne Stadt als herausforderndes Projekt

Obwohl mit entsprechenden Verbesserungen vor der Auspflanzung neuer Bäume eine wichtige Grundlage gesetzt wird, müssen sich die Stadtbäume im Laufe ihres Lebens auf weitere Hindernisse im Wurzelbereich einstellen. Schuttmengen aus dem Weltkrieg und unterirdische Leitungen schränken die Wurzelausbreitung ein. Bodenverdichtungen verhindern, dass Luft und Regenwasser in den Poren zirkulieren kann. Durch zunehmende Versiegelung können Wasser und Sauerstoff nicht mehr in die Erde gelangen. Die daraus resultierenden Wachstumsprobleme sind gravierend.

Problematisch sind zudem die mangelnden Ressourcen im finanziellen und personellen Sektor, die für die Verkehrssicherung von Straßenbäumen notwendig sind. Vor allem der Altbaumbestand hat eine große Bedeutung für die Artenvielfalt in der Stadt, doch diese Exemplare erfordern ein hohes Maß an Zuwendung, um den rechtlichen Anforderungen zu entsprechen. Das Gesetz schreibt grundsätzlich vor, dass ein Schutz vor umstürzenden Bäume und herabfallenden Ästen gewährleistet sein muss.

Die steigenden Einwohnerzahlen führen zu Interessenkonflikten. Auf der einen Seite möchten Naturschützer mehr Grünflächen erhalten und gestalten. Andererseits werden Brachen und Wiesen für die Errichtung neuer Wohn- und Bürogebäude benötigt. Es kommt zur zunehmenden Zerstückelung von zusammenhängender Natur, wenn Teilflächen den Bebauungsplänen zum Opfer fallen. Hier zeigen sich die Gründe, warum eine Metropolstadt wie Berlin Schwierigkeiten hat, zu Deutschlands grünster Großstadt gekürt zu werden.
 

Die Baumgesundheit verbessern

Doch Probleme sind bekanntlich da, um gelöst zu werden. Eine Faustformel besagt, dass das Volumen von Wurzelballen und Baumkrone in etwa gleich groß ist. Raum schaffen und den Boden großflächig auflockern zählen zu den wichtigsten Maßnahmen, denn in der Stadt stehen einem Gewächs in der Regel zwei bis drei Kubikmeter zur Verfügung. Das ist laut Felix Weibrich, dem Grünflächenamtsleiter von Friedrichshain-Kreuzberg, nur ein kleiner Bruchteil des benötigten Raums. Ein Stadtbaum kann schnell ein Kronenvolumen von 300 Kubikmeter entwickeln. Was die Bodenbelüftung angeht, so gibt es mittlerweile Methoden zu einer nachträglichen Verbesserung. Künstlich angelegte Versorgungssysteme ermöglichen eine bessere Wasser- und Sauerstoffversorgung des Wurzelbereichs.

Auch wenn die Pflegemaßnahmen durch die Auswahl von anspruchslosen Baumarten auf ein Minimum reduziert werden kann, ist eine abgestimmte Pflege dennoch ausschlaggebend für die Pflanzenvitalität. Der BUND-Baumreferent Christian Hoenig schätzt, dass mit einem jährlicher Geldbetrag zwischen 80 und 100 Euro eine ausreichende Pflegezuwendung möglich ist. Besonders wichtig ist in diesem Hinblick ein erhöhter Pflegeaufwand im Frühjahr. Eine Kaliumverabreichung fördert die Bildung von gesunden Blättern und verringert die Salzkonzentration im Wurzelballen. Zusätzliche Wassergaben unterstützen das Blattwachstum. Da das Bewusstsein für den Naturschutz steigt, engagieren sich immer mehr Bürger und helfen dem Baumbestand mit Gießeinheiten.

 

Ökologische Folgen der Stadtbegrünung

Ähnlich wie bei der grauen Infrastruktur zeigen sich durch städtische Parks, begrünte Gebäude und Alleen ökologische und wirtschaftliche Effekte. Das Stadtklima verbessert sich, denn Bäume binden Stickstoff und wirken als natürliche Filter für Feinstaub. Eine Buche versorgt pro Tag 50 Menschen mit Sauerstoff. Laubbäume absorbieren Sonnenlicht, spenden Schatten und sorgen für einen kühlenden Effekt. Sie verdunstet täglich bis zu 400 Liter Wasser, wodurch der Luft Wärme entzogen wird. Ein städtischer Grünflächenanteil von zehn Prozent kann die Temperatur im Sommer um bis zu drei Grad senken.

 

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Auswirkungen der grünen Infrastruktur auf die Psyche

ie rund 3,7 Millionen Einwohner Berlins profitieren vom der Stadtnatur. Stadtmenschen leiden häufiger unter psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder Depressionen und Angststörungen. Nicht nur die Stadtgröße spielt laut Forschern eine Rolle, sondern vermutlich auch ein Mangel an Grünflächen. Der britische Forscher Mathew White kam zu dem Schluss, dass Menschen in der Nähe zu natürlichen Umgebungen zufriedener und psychisch gesünder sind als in bebauten Bereichen.

Es besteht eine Synergie zwischen der Gestaltung von Stadtgrün und der Gesundheitsvorsorge. Die Bewohner nutzen öffentliche Parks und Grünflächen als Raum zum Erholen und Entspannen. Bewegung im Grünen sorgt für Stressabbau, denn Puls und Blutdruck sowie der Kortisolgehalt des Blutes sinken. Gleichzeitig wird die Kreativität angeregt. Eine hohe Artenvielfalt steigert das Wohlbefinden zusätzlich. Je farbenfroher und abwechslungsreicher ein Lebensraum ist, desto ästhetischer wirkt dieser. Schon ein Aufenthalt von wenigen Minuten reicht aus, um Konzentrationsfähigkeit und Stimmung zu steigern. Aus diesen Gründen ist der Aufwand eine lohnens- und erstrebenswerte Investition.

Dieser Artikel entstand in Kooperation mit unserem externen Redakteur Julian Waldschmidt.