Marode Brücken in Berlin: Unser großer Brücken-Check
Reporter Christian Fuchs und ein Brückenexperte prüfen fünf Berliner Brücken: Wo liegen die Schäden – und was bedeutet das für den Verkehr der Zukunft?
Reporter Christian Fuchs und ein Brückenexperte prüfen fünf Berliner Brücken: Wo liegen die Schäden – und was bedeutet das für den Verkehr der Zukunft?
Viele Berlinerinnen und Berliner fahren täglich darüber – oft ohne zu wissen, wie stark die Bauwerke inzwischen belastet sind und welche Schäden sich im Inneren entwickeln.
Um besser zu verstehen, wo die Probleme liegen, wie Brücken geprüft werden und was in den kommenden Jahren auf Berlin zukommt, ist unser Berlin-Reporter Christian Fuchs gemeinsam mit Brückenexperte Gino Ebell von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung durch die Stadt gefahren. Fünf Brücken, fünf typische Problemfälle – vom Autobahnriesen bis zum 100 Jahre alten Stadtbauwerk.
Die Rudolf-Wissell-Brücke in Charlottenburg ist mit 932 Metern die längste Brücke Berlins – und eine der am stärksten befahrenen. Gebaut wurde sie für rund 20.000 bis 40.000 Fahrzeuge pro Tag. Heute fahren täglich etwa 180.000 Fahrzeuge darüber. Diese extreme Mehrbelastung führt dazu, dass das Bauwerk in der Bewertung nur die Note 3,0 erhält. Im Brückenbereich bedeutet das: „nicht ausreichend“.
Brückenexperte Gino Ebell zeigt vor Ort nachträglich eingezogene Spannbänder, die der Konstruktion zusätzliche Stabilität geben sollen. Die Brücke ist über 60 Jahre alt, und neben der Verkehrsbelastung wirken Frost, Hitze und schnelle Temperaturwechsel auf das Material. Ein Ersatzneubau gilt als unumgänglich – wann er kommt, ist jedoch noch offen.
Die Putlitzbrücke in Moabit überspannt S-Bahn-, Regional- und Gütergleise. Oben laufen Busse, Autos und LKW. Die Brücke erhielt ebenfalls die Note 3,0 – auch hier ein deutliches Warnzeichen.
Besonders betroffen sind die Schweißnähte des Stahlbaus. Sie sind stark ermüdet, weil heute viel mehr Fahrzeuge über die Brücke fahren als zum Zeitpunkt des Baus geplant. Hinzu kommen Korrosionsschäden: Wenn Streusalz und Regenwasser durch eine beschädigte Abdichtung in die Konstruktion eindringen, kann die Stahlstruktur angegriffen werden.
Die gute Nachricht: In den vergangenen Monaten wurde die Putlitzbrücke teilweise instand gesetzt. Bei der nächsten Prüfung wird eine bessere Bewertung erwartet.
Die Schönhauser-Allee-Brücke ist ein komplexes Bauwerk: Unten verlaufen S- und Regionalbahn, darüber Straße und Tram, und oben drüber fährt die U-Bahn auf einer Hochtrasse. Einige Teile des Bauwerks sind fast 100 Jahre alt, die Gründung sogar noch älter.
Bei diesem Alter ist klar: Die Brücke muss ersetzt werden. Die größte Schwierigkeit liegt jedoch im Bauen selbst. In der dicht bebauten Innenstadt fehlt Raum für große Baumaschinen, Abstützungen und Materiallagerung. Gleichzeitig müssen U-Bahn, S-Bahn, Regionalzüge, Autos, Radfahrende und Fußgängende während der Arbeiten weiterlaufen.
Ein Ersatzneubau ist geplant – er wird mehrere Jahre dauern und viele Menschen betreffen.
Typische Probleme:
• Sehr hohes Alter
• Viele übereinanderliegende Verkehrsebenen
• Wenig Platz für Baulogistik
Maßnahme:
• Ersatzneubau geplant
Besonderheit:
• Täglich extrem hoher Publikumsverkehr
Die Dunckerbrücke in Prenzlauer Berg stammt aus dem Jahr 1976 und ist ein typisches Spannbeton-Fertigteilbauwerk dieser Zeit. Durch undichte Abdichtungen konnten über die Jahre chloridhaltige Winterdienstmittel in den Beton eindringen und die innere Stahlbewehrung angreifen.
Die Schäden sind inzwischen so weit fortgeschritten, dass die Tragfähigkeit reduziert wurde: Fahrzeuge über 12 Tonnen dürfen die Brücke nicht mehr befahren. Eine Sanierung wäre möglich, aber wirtschaftlich nicht sinnvoll. Deshalb soll die Brücke komplett neu gebaut werden.
Typische Probleme:
• Salzschäden im Beton
• Tief liegende Korrosion
• Materialermüdung
Maßnahme:
• Ersatzneubau ab 2026 vorgesehen
Besonderheit:
• Tragfähigkeit auf 12 Tonnen begrenzt
Die Mühlendammbrücke ist ein prominentes Beispiel dafür, wie weit Schäden fortschreiten können, wenn ein Bauwerk seine Lebensdauer überschritten hat. Unterhalb der Brücke sind großflächige Korrosion, beschädigte Bauteile und bereits zurückgebaute Abschnitte sichtbar.
Die Lage macht das Projekt besonders komplex: Die Brücke liegt mitten im Zentrum und wird täglich von vielen Verkehrsteilnehmenden genutzt. Gleichzeitig verlaufen unter ihr wichtige Leitungen und Infrastrukturen.
Ein Neubau ist bereits in Umsetzung und wird die Innenstadt über Jahre beeinflussen.
Typische Probleme:
• Massive Korrosion
• Teilrückbau bereits erfolgt
• Hohe Verkehrsbelastung
Maßnahme:
• Ersatzneubau im Gang
Besonderheit:
• Eine der stauanfälligsten Brücken Berlins
Viele Berliner Brücken wurden vor Jahrzehnten gebaut – oft in Zeiten, in denen der heutige Verkehr nicht absehbar war. Fahrzeuge sind heute schwerer, zahlreicher und verursachen deutlich mehr Belastung als früher. Gleichzeitig wirken Frost, Hitze und schnelle Temperaturwechsel auf den Beton und die Stahlbauteile. All das führt zu Rissen, Korrosion und Materialermüdung.
Besonders seit dem Teileinsturz der Carola-Brücke werden Brücken an neuen Stellen untersucht. Dabei kommen Schäden zum Vorschein, die vorher nicht sichtbar waren.
Zunächst erfolgt immer eine Sichtprüfung. Wenn Auffälligkeiten auftreten – zum Beispiel Risse, Abplatzungen oder Verformungen –, wird genauer hingeschaut:
So lässt sich feststellen, ob im Inneren Risse, Korrosion oder andere Schadensmechanismen vorhanden sind.
Die Bewertung klingt im Alltag nach „befriedigend“. Im Brückenbewertungssystem meint sie jedoch etwas anderes: „nicht ausreichend“.
Eine Brücke mit der Note 3,0 ist ein Warnsignal. Es muss dringend saniert oder ein Ersatzneubau geplant werden.
Viele Brücken – wie etwa typische 70er-Jahre-Spannbetonbauten – haben Schäden tief im Material: Chloride, Korrosion oder Ermüdung. Eine Sanierung würde sehr aufwendig und teuer werden, oft ohne langfristigen Nutzen.
In solchen Fällen ist ein Ersatzneubau wirtschaftlicher, schneller und sicherer.
Laut Experte Gino Ebell stehen Berliner Brücken nicht schlechter da als Brücken in anderen Bundesländern. Deutschlandweit gibt es ähnliche Probleme: viele alte Brücken, hohe Verkehrsbelastung und steigende Sanierungsbedarfe.
In vielen Fällen ist schlicht kein Platz für große Maschinen, Abstützungen oder Materiallagerung. Gleichzeitig muss der Verkehr – ob Autos, Tram, U-Bahn, S-Bahn oder Regionalzüge – weiterlaufen.
Dazu kommt:
Die Schönhauser-Allee-Brücke und die Mühlendammbrücke sind typische Beispiele dafür.
Beides ist problematisch.
Diese Belastungen verstärken vorhandene Schwachstellen und können Schäden beschleunigen.
Die Kombination aus:
Je nach Bauart gibt es unterschiedliche Hauptschwachstellen. Bei Spannbetonbrücken sind es oft die Spannstähle; bei Stahlbrücken eher Schweißnähte und Korrosion.
Grundsätzlich bleiben Brücken in ihrer Bauart ähnlich: Sie überspannen eine Strecke mithilfe von Widerlagern und Stützen. Neu werden eher die Materialien und die Überwachung:
Die Grundform bleibt, aber die Lebensdauer soll steigen.
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