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Handwerkermangel in Berlin

Wenn lange Wartezeiten zur Normalität werden

HANDWERKERMANGEL IN BERLIN

Berlin boomt seit Jahren.

Seit 2011 steigt die Bevölkerung der Hauptstadt rapide an und lag 2017 bei mehr als 3,6 Millionen. Diese Entwicklung ist für Stadt erfreulich, bringt aber viele Herausforderungen mit. Unter anderem leidet der Wohnungsmarkt an einer stetig wachsenden Nachfrage, welche sich durch Neubauten nicht ohne Weiteres kompensieren lässt. Heißt für den einzelnen Berliner auf Wohnungssuche: Mieten ziehen immer stärker an. Und dies trotz der Tatsache, dass in Berlin rege gebaut wird. Den Bevölkerungszuwachs bekommen aber nicht nur Berliner zu spüren, die in eine neue Wohnung umziehen wollen. Auch wer es sich im Eigenheim gemütlich macht, spürt den Zustrom in die City. Einerseits durch neue Häuser, die hochgezogen werden. Auf der anderen Seite durch immer längere Wartezeiten auf Handwerker. Schon in den letzten Jahren hat sich diese Entwicklung angedeutet. Jahr für Jahr mussten Auftraggeber länger darauf warten, dass Handwerker Zeit für die Erledigung der Arbeiten haben. Und dieser Trend könnte sich noch weiter verschärfen. Warum? UNTERNEHMEN UND PRIVATKUNDEN MÜSSEN UM HANDWERKER BETTELN - DIE URSACHEN Wie dramatisch die Lage in Berlin beim Stichwort Handwerkermangel ist, können nur Betroffene einschätzen. Medienberichte aus dem Frühjahr 2018 zeichneten schon damals ein dramatisches Bild von der Situation in der Stadt. Mussten – so rechnete beispielsweise die Berliner Morgenpost vor – 2007 Auftraggeber im Schnitt mit 5,7 Wochen knapp 1 ½ Monate auf einen Handwerker aus dem Bauhauptgewerbe warten, kletterte die Wartezeit Ende 2017 schon auf mehr als 12 Wochen. Das heißt im Klartext: Wer heute in Berlin einen Handwerker braucht, muss mit der Suche mindestens ein Vierteljahr vor der geplanten Maßnahme beginnen. Eigentlich eine Zumutung. Was, wenn Gefahr im Verzug ist – etwa bei einem undichten Dach? Oder ein Wasserrohr zu platzen droht? DER FACHKRÄFTEMANGEL SCHLÄGT ZU Ursachen, welche zu den Wartezeiten führen, sind längst bekannt. Allerdings lassen sich diese nicht so schnell ändern. Es geht unter anderem um: Nachfrage Fachkräftemangel Ausbildungsstau Qualifikation Was hat das Thema Fachkräfte mit den Wartezeiten zu tun? Ganz einfach: Handwerksbetriebe sind auf gut ausgebildete Beschäftigte angewiesen, welche ihr Handwerk verstehen und auf dem neusten Stand sind.

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In den letzten Jahren hat sich allerdings ein bemerkenswerter Trend entwickelt. Obwohl das Sprichwort „Handwerk hat goldenen Boden“ bekannt ist, entscheiden sich viele Jugendliche gegen eine Ausbildung. Stattdessen wird ein Studium angestrebt – wie an den Zahlen des Statistischen Bundesamts zu den Einschreibungen klar zu erkennen ist. Weniger Auszubildende heißt, dass der Nachwuchs fehlt. Parallel gehen immer mehr Handwerker in Rente. Selbst Unternehmern fällt es inzwischen schwer, die Nachfolge für ihren Handwerksbetrieb zu regeln.

Bedeutet: Selbst, wenn das Handwerk mehr Aufträge abarbeiten will, fehlt die nötige „Manpower“. Da auch der Arbeitsmarkt kaum noch Reserven hat, würde selbst eine Einstellungskampagne hier wenig bringen – offene Stellen bleiben am Ende unbesetzt.

DIE BAUNACHFRAGE

In Berlin und dem Brandenburger Umland wird seit Jahren kräftig gebaut. Zuletzt haben gerade in Brandenburg die Baugenehmigungen wieder zugelegt. Genau hier liegt der zweite Grund, warum Auftraggeber lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Je mehr Immobilien gebaut werden, umso stärker die Auslastung der Baugewerke.

Warum stellen Handwerksbetriebe nicht mehr Beschäftigte ein? Sicher die naheliegende Lösung. Das Problem: Es gibt nicht genug Fachkräfte und Auszubildende, um Lücken zu füllen. Selbst, wenn jeder Ausbildungsplatz besetzt wird – bevor Azubis selbständig arbeiten, vergehen Jahre.

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WELCHE FOLGEN HAT DIESE ENTWICKLUNG?

Experten, die mit der Entwicklung im Handwerk vertraut sind, prognostizieren eine Verschärfung der aktuellen Situation. Sprich: Auch in Zukunft wird es zu langen Wartezeiten kommen. Und diese könnten sich noch deutlich erhöhen. Zwar ist in den letzten Monaten die Zahl der Baugenehmigungen in Berlin etwas gesunken. Handwerker wie:

  • Dachdecker
  • Maurer
  • Zimmerleute

sind aber im Umland gefragt. Denn in Brandenburg boomt die Bautätigkeit. Erschwerend kommt hinzu, dass in vielen Betrieben ein Generationenwechsel ansteht. Geburtenstarke Jahrgänge der späten 1950er und 1960er Jahre kommen ins Rentenalter. Damit scheiden Arbeitskraft und Erfahrung aus dem Betrieb aus. Lücken, die sich heute leider nicht ohne Weiteres füllen lassen.

Die Folgen einer solchen Entwicklung treffen Immobilienwirtschaft und private Eigentümer:

  • Investitionsstau im Neubau
  • Planungsfristen für Modernisierungen verlängert.

Besonders bitter könnten die Wartezeiten werden, wenn sich hierdurch Mehrkosten ergeben. So beinhalten zum Beispiel Kreditverträge für Immobilienfinanzierungen in der Regel einen Passus zu Bereitstellungszinsen. Heißt: Wird das Darlehen nicht wie vereinbart abgerufen, kann es für den Kreditnehmer teuer werden.

Diese Tatsache ist letztlich nur eine mögliche Folge. Noch krasser die Konsequenzen, wenn es sich um Notfälle handelt. Ein Rohrbruch kann schließlich eine ganze Wohnung oder den Keller unter Wasser setzen. Zwar sind Handwerker immer bemüht, auf Notfälle zu reagieren. Allerdings kann sich kein Dachdecker-Betrieb einfach klonen.

Und es kommt noch ein Punkt hinzu: In den letzten Jahren sind Handwerker immer teurer geworden. Dieser Trend – so die Einschätzungen – wird sich auch in den nächsten Jahren verschärfen. Beschäftigte im Handwerk kennen inzwischen ihren Wert und setzen andere Lohnforderungen als noch vor einigen Jahren durch. Gleichzeitig sorgen gesetzliche Vorgaben bei:

  • Arbeitsschutz
  • Gebäudetechnik
  • Energieeffizienz

für weiter steigenden Kosten für Baumaßnahmen. Und es spielt hier keine Rolle, ob neu gebaut werden soll oder einfach eine Immobilie zu renovieren ist.

WIE LÄSST SICH ABHILFE SCHAFFEN?

Wenn Handwerker keine Zeit haben, machen viele private Auftraggeber lange Gesichter. Unternehmen aus der Immobilienwirtschaft kennen diesen Trend länger. Viele private Auftraggeber sind überrascht, wenn gute Handwerker bis in den Sommer hinein schon ausgebucht sind. Was tun, wenn die Wartezeit inakzeptabel erscheint?

Hier hilft letztlich nur die Methode DIY – sprich Do it Yourself. In vielen Bereichen können Heimwerker sich von den Wartezeiten unabhängig machen. So sind:

  • Tapezieren
  • Fliesen legen
  • Laminatfußboden verlegen

klassische Bereiche aus dem Heimwerker-Segment. Selbst kleinere Reparaturen können sich Privatpersonen zutrauen. Den Siphon am Waschbecken wechseln – hier braucht es keinen Handwerker. In Bezug auf Haushaltsgeräte wie der Waschmaschine sollte man im Einzelfall abwägen. So lässt sich mit etwas Geschick das Magnetventil oder das Türschloss auswechseln. Doch wie bei allen elektronischen Geräten gilt: Alle Reparaturen nur nach Trennung vom Stromnetz durchführen und komplizierte Eingriffe lieber Fachleuten überlassen.

Allerdings sollte jeder Heimwerker Grenzen kennen. Im Rahmen eines Tapetenwechsels kann nicht viel schief gehen. Beim Einbau der neuen Heizung oder dem Verlegen von Stromkabeln sind die Risiken wesentlich größer. Hier sind Profis gefragt. Eventuell gibt es Abhilfe aus dem Freundeskreis – etwa bei einer kleinen Reparatur am Haus.

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WAS KANN DIE STADT TUN?

Berlin selbst hat nur begrenzten Spielraum, um gegen die Wartezeiten vorzugehen. Fachkräftemangel und Ausbildungsstau lassen sich nicht per Dekret „wegregulieren“. Vielmehr muss es darauf ankommen, passende Rahmenbedingungen zu schaffen. Eine Möglichkeit wäre der Aufbau von Schulungszentren, in denen Handwerksbetriebe ausbilden lassen können.

Auf der anderen Seite könnten Einstiegshürden für Quereinsteiger – etwa aus dem Ausland – gelockert werden. So sind einfachere Bestimmungen für den Zugang in die Baubranche sicher eine Option. Oder Berlin setzt verstärkt auf eine Nachwuchsförderung, indem das Handwerk wieder für Jugendliche attraktiver gemacht wird. Dieser Punkt setzt in der Schule an.

FAZIT: AUFTRAGGEBER WARTEN WOCHEN AUF HANDWERKER Gut, wenn keine Handwerker gebraucht werden. Dann ist mit dem Haus alles in Ordnung. Wer sich entscheidet, energetisch zu modernisieren oder ein neues Haus bauen will, braucht in Berlin Geduld. Schuld ist weniger die Bürokratie in der Vergabe von Baugenehmigungen. Mittlerweile sind die Wartezeiten für Handwerker in einigen Gewerken bei mehr als drei Monaten angekommen. Und der Trend zeigt eher weiter nach oben. Diese Entwicklung frustriert viele Auftraggeber. Großprojekte laufen angesichts dieser Situation Gefahr, in Verzug zu geraten – was letztlich Zusatzkosten verursacht. Und wenn ein Notfall im Nacken sitzt, sind Wartezeiten dramatisch. Gründe für diese Entwicklung sind in den vergangenen Jahren zu suchen. Junge Erwachsene wollen lieber studieren. Und ältere Fachkräfte gehen bald in Rente.

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